Mo 22. Jun 2009, 19:12
Jessica hockte noch über dem Mann, die Lippen fest an seinen Hals gepresst. Mit gierigen Schlucken saugte sie ihm das Blut aus dem bereits leblosen Körper. Es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre der Mann völlig ausgesaugt.
Alexiel hatte recht gehabt. Es dauerte nicht lange.
Als sie von dem leblosen Körper abließ, sprang sie auf und suchte die Umgebung nach weiteren Opfern ab. Ein leises Knurren kam aus ihrem Brustkorb. Der dunkelhaarige Vampir war sich nicht sicher, ob seine Gefährtin es überhaupt registriert hatte, dass sie noch immer die Zähne gefletscht hatte.
Ein dünnes Rinnsal Blut lief an ihrem Mundwinkel herab und ihre blutroten Augen funkelten bösartig. Sie sah zu Alexiel herüber und hatte sich im gleichen Augenblick wieder im Griff. Das Funkeln in ihren Augen verschwand, als sie mit langsamen Schritten auf ihren Gefährten zuging.
Jessica lehnte den Kopf an die Schulter des Vampirs und atmete tief durch.
Was machen wir als nächstes? fragte sie mit leiser Stimme und schaute zu ihm auf.
Alexiel nahm sie zärtlich in den Arm und drückte sie an sich. „Geht es Dir jetzt besser? Ist das Feuer aus Deiner Kehle gewichen?“ Der Vampir war besorgt, dass das Blut des Mannes nicht ausgereicht haben könnte. Er wollte seine Reise nach Montreal nicht unnötig verzögern.
Das Feuer ist nicht weg, aber es ist erträglicher geworden… Jessicas Stimme war leise und sie senkte ihren Kopf, als würde sie sich schämen.
„Das muss Dir doch nicht unangenehm sein… So ging es uns allen einmal. Ich verspreche Dir, das wir bald wieder jagen gehen!“ Ein sanftes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Vampirs und er hob das Gesicht seiner Gefährtin mit dem Zeigefinger an um sie zu küssen.
Während er seine Lippen auf ihren lieblichen Mund presste spannten sich seine Kiefermuskeln an.
Da war es wieder.
Urplötzlich - wie aus dem Nichts – war das merkwürdige Gefühlt wieder da. Alexiel wurde unruhig.
„Wir müssen hier weg. Sofort!“ schoss es ihm durch den Kopf. „Jessica, los komm… Wir müssen weiter.“ Seine Stimme war laut und fordernd, doch er konnte Jessica nichts über seine Befürchtung, dass sie verfolgt wurden mitteilen.
Er wollte sie nicht beunruhigen.
Und schon gar nicht wollte er seine Gefährtin der drohenden Gefahr aussetzen. Die Sache mit den Gestaltwandlern im Wald von Forks hatte ihm eines vor Augen geführt. Er würde nicht mehr existieren wollen, wenn Jessica etwas zustoßen würde.
Beinahe schon grob umklammerte er mit seiner rechten ihre Linke und lief los. Wie ein Blitz schossen die beiden Vampire über die Lichtung in den Wald hinein. Alexiel wusste, dass sie seine Aufregung spüren konnte, doch sie fragte ihn nicht nach dem Grund und das war auch gut so. Wie hätte er ihr erklären sollen, dass er dieses Gefühl schon einmal verspürt hatte und was danach geschehen war?
Nein, es war besser für sie, wenn sie es nicht wusste.
Sie liefen Richtung Osten.
Während der Wind ihm durch die Haare fegte, versuchte der Vampir versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass er und seine Gefährtin verfolgt wurden.
„Wer ist uns bloß auf den Fersen? Die Gestaltwandler? Oder Vampire? Vielleicht sogar Cullens?“ seine Gendanken fuhren Karussell.
Felix hatte Alexiel erzählt, dass die Gestaltwandler mit den Cullens vertraut waren, ja, sich sogar gemeinsam mit ihnen gegen die Volturi verbrüdert haben.
„Kann es also vielleicht möglich sein, dass die Wölfe nach dem Kampf zu den Vegetariern gerannt sind um ihnen Bericht zu erstatten? Aber warum sollten die Cullens sich einmischen?“Die Gedanken schwirrten ihm nur so durch den Kopf und daher beschloss er, diese Grübeleien ruhen zu lassen. Sie würden eh zu keinem befriedigenden Ergebnis führen. Wie immer vertraute er darauf, dass das Schicksal seinen Weg vorher bestimmte und er würde seine Bestimmung akzeptieren.
Was es auch sein möge, er würde sich seiner Prädestination unterwerfen. Das Schicksal hatte ihn zu dem gemacht, was er war und er war mehr als zufrieden damit.
Sie befanden sich schon in der Nähe des Quetico Provencial Park auf einer weitläufigen Ebene, als die Sonne langsam hinter der Wolkendecke hervorkam. Alexiel verfluchte innerlich das Tagesgestirn dafür, dass es sich anschickte durch die Wolken zu brechen.
Verfluchte es dafür, dass es eine weitere Flucht über das Grasland unmöglich machte. Solange sie am Firmament stand, mussten sie Schutz in den dichtbewachsenen Wäldern suchen.
Zum Glück war es nicht mehr weit.
Schon konnte er die hochaufragenden Bäume in der Ferne sehen. Alexiel hoffte, dass auch ihre Verfolger die Suche nach ihnen unterbrechen mussten. Es kam ihm so vor, als wären die Höllenhunde ihnen dicht auf den Fersen, daher fasste er den Plan, trotz des grellen Sonnenscheins weiter über die Ebene zu jagen. Hier konnten sie sich eh nicht verstecken.
Nichts deutete darauf hin, dass ein Mensch sich in der unmittelbaren Nähe befand und sobald sie die Wälder des Quetico Provencial Park erreicht hätten, wären sie in Sicherheit. Unter das dichte Laubwerk verirrten sich die Sonnenstrahlen nur selten und der Vampir hoffte, dass sie den Vorsprung gegenüber ihren Verfolgern ausbauen konnten.
Als sie den Rand der Wälder erreicht hatten, zog Jessica an seiner Hand und bedeutete ihm damit stehen zu bleiben.
Alexiel, Du weißt, ich vertraue Dir… aber bitte sag mir, was los ist. Ich merke doch genau, dass irgendetwas nicht stimmt… Wer ist hinter uns her? Die Stimme seiner Gefährtin klang eindringlich in seinen Ohren. Er wusste, es wäre besser, ihr die Wahrheit zu verschweigen, doch das konnte er nicht.
Nicht mehr.
Andererseits wollte er Jessica nicht unnötig in Aufregung versetzen, denn er hatte keinen Beweis dafür, dass sie verfolgt wurden. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl.
„Was soll ich ihr bloß sagen?“ fragte er sich insgeheim und mit einem tiefen Seufzen atmete er aus.
„Ich will ehrlich zu Dir sein, Jessica. Ich weiß weder wer hinter uns her ist, noch ob überhaupt jemand hinter uns her ist. Es ist nur eine Vermutung… ein unbestimmtes Gefühl…“ Alexiel zuckte mit den Schultern und senkte resignierend seinen Kopf. Die Vampirin trat ihm gegenüber und zog ihn an sich heran. Dann schaute sie zu ihm auf und schlang ihre Arme um seinen Nacken.
Dann lass uns auf Dein Gefühl vertrauen und von hier verschwinden… Jessica stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihren Gefährten sanft auf die Lippen
…egal wohin… ich werde Dir folgen! Ihre Stimme war fest und klar. Alexiel konnte die Willensstärke in ihr nachklingen hören und war erleichtert. Jessica vertraute ihm, dabei hatte er ihr Vertrauen gar nicht verdient. Doch irgendwann würde er sich seiner Gefährtin öffnen.
Irgendwann…
„Danke, das werde ich Dir nie vergessen.“ Diesmal war es Alexiel, der sich hinunter beugte um seine Lippen zärtlich auf ihre zu legen.
Die beiden Vampire hielten sich nicht länger auf. Sie liefen in ihrer natürlichen Geschwindigkeit zwischen den Bäumen hindurch und wichen den dicken Stämmen mit einer Geschmeidigkeit aus, als würden sie nie etwas anderes machen. Kein Mensch war in einem Umkreis von mehreren Kilometern um sie herum auszumachen. Der Park war wie ausgestorben. Einzig und allein Tiere kreuchten hier und da durch das Unterholz und durch die Zweige der Baumkronen.
Das Wetter änderte sich erneut.
Der Ostwind trieb eine dicke Wolkenbank vor sich her und als sie aus dem Wald heraus kamen, war das Schicksal auf der Seite der beiden Vampire. Sie ließen ihren Blick über die Landschaft streifen. Eine weite, unbewohnte Ebene breitete sich vor ihnen aus.
Nun war es nicht mehr weit bis Montreal und Alexiel überlegte, wie er weiter vorgehen sollte.
„Wie spüre ich Jasper am schnellsten auf? Wenn es sich bei dem Anrufer überhaupt um Jasper gehandelt hatte… doch eigentlich kann es niemand anderes gewesen sein… diese Stimme… so bekannt…“ Er würde Augen und Ohren offen halten müssen, würde versuchen müssen, sich an den Geruch von seinem ehemaligen Major zu erinnern. Dies sollte nicht allzu schwierig sein, denn ein Vampir vergaß nie. Egal wie, er würde die Fährte von Jasper schon finden.
Doch ein Problem würde sich ihm noch in den Weg stellen.
Jessica.
Seine Gefährtin war noch lange nicht bereit dazu durch eine Stadt wie Montreal zu spazieren. Eigentlich konnte er noch nicht einmal durch eine Kleinstadt mit ihr gehen, ohne dass sie in einen Blutrausch fallen würde. Sie war noch viel zu wild und hatte sich noch lange nicht unter Kontrolle um auch nur in die Nähe eines Menschen zu kommen ohne sich sofort auf ihn zu stürzen und ihm das Blut aus den Venen zu saugen.
Dies stellte ihn vor eine schwierige Aufgabe, doch in ihm reifte ein exzellenter Plan. Sie würden sich ein Auto besorgen müssen, denn Alexiel hatte auch nicht vor, Jessica einfach zurück zu lassen und sich alleine auf die Suche zu machen.
In weiter Ferne sah er etwas, das ihm wie eine göttliche Vorsehung vorkam.
Zuletzt geändert von Alexiel am Mo 29. Jun 2009, 20:41, insgesamt 1-mal geändert.